Der Kreisbrandmeister blickt auf 2016 zurück: auf schwierige Einsätze, komische Zufälle und Katzen auf dem Irrweg.

Eine kilometerweit sichtbare Rauchsäule im Elbtal: Schon Anfang des vergangenen Jahres hatten die Feuerwehren im Landkreis Meißen einiges zu tun. Insgesamt gab es 2016 genau 32 Großbrände und 220 Mittelbrände.

Landkreis. Klopf, klopf, klopf. Ingo Nestler schlägt dreimal schnell mit den Fingerknöcheln auf seinen Schreibtisch, zu jedem „Klopf“ gibt es ein „Toi“. Es ist der Dank an unsichtbare Geister nach einem herausfordernden Jahr für die Feuerwehren im Landkreis, in dem zumindest keine Kameraden ernsthaft verletzt wurden. „Wenn, dann war es mal ein Schnitt an den Händen, ein verstauchter Knöchel oder eine leichte Rauchgasvergiftung“, erzählt der Kreisbrandmeister. Doch bei der Zahl der ungewöhnlichen Einsätze im Jahr 2016 hätte das auch ganz anders ausgehen können. Die wichtigsten Fakten zum vergangenen Jahr im Überblick:

Mehr kritische Einsätze

Rein zahlenmäßig fällt das vergangene Jahr nicht auf in der Statistik: 486 Brände gab es, drei weniger als im Jahr zuvor. 1 178-mal musste technische Hilfe geleistet werden (2015: 1 185-mal). Im Schnitt hatten die Kameraden knapp sechs Einsätze am Tag, 2 127 insgesamt. Was jedoch auffällt, ist die hohe Zahl der „kritischen“ Einsätze, wie Nestler sie nennt (siehe Chronik). „Diese waren für die Feuerwehren nicht ganz so einfach.“

Brandserie in Neusörnewitz

An die Substanz ging auch eine Brandserie, die sich noch in dieses Jahr zog. Wenn die Worte „Brand“ und „Neusörnewitz“ auf den Piepsern der Kameraden auftauchen, erzählt Nestler, haben diese gleich ein ungutes Gefühl. „Da weiß man schon, was einen erwarten könnte.“ Im August brannte eine Gewerbehalle, im September brach im Keller eines Plattenbaus ein Feuer aus. Im November stand der Rohbau eines Einfamilienhauses in Flammen, kurz vor Weihnachten traf es einen Fisch- und Getränkehandel und Ende Februar 2017 ein Vereinsheim. Die Brände begannen in der Regel nachts, in vielen Fällen ermittelt die Polizei wegen Brandstiftung. Ob es sich eventuell sogar um eine Serie von Brandstiftungen handelt, ist noch nicht klar. „Es konzentriert sich schon alles auf einen Fleck und das ist sehr ungewöhnlich“, sagt Nestler. „Wer hier noch an Zufall glaubt …“

Die schwierigsten Feuerwehreinsätze 2016
3. März: Brand des Asylheimes in Radebeul. „Das Jahr fing schon gut an“, sagt Ingo Nestler. Beim Brand des Asylheimes war die Bekämpfung nur mit Kran möglich. „Das war ein Kassettendach mit Hohlräumen, durch die sich das Feuer bewegen konnte“, so Nestler. Teile des Daches mussten angehoben werden.

8. April: Brand eines Industriegebäudes in Radebeul. „Da stand eine Rauchsäule im Elbtal, die man bis in die Sächsische Schweiz gesehen hat“, sagt Nestler. Die Halle stand im Vollbrand, Löschen von innen war nicht mehr möglich.

1. Mai: Wohnungsbrand in Coswig. Bei diesem kam eine Seniorin ums Leben, zwei Treppenaufgänge mussten wegen Verrauchung evakuiert werden, Wohnungen waren tagelang nicht nutzbar.

23. Mai: Starkregen über dem Landkreis. „Wir waren so durchnässt, das habe ich noch nicht erlebt“, sagt Nestler. Innerhalb einer Stunde gab es 21 Einsätze, ein Baum musste gefällt werden, um an einen Dachstuhl heranzukommen, der vom Blitz getroffen wurde.

31. Mai: Unwetter im Norden des Kreises. Beim zweiten großen Unwetter schlug ein Blitz in den Schornstein eines Einfamilienhauses in Großenhain ein. „Aber die Feuerwehr konnte den Dachstuhl noch retten.“

31. August: Schwerer Unfall auf der A 4. Gleich 14Fahrzeuge waren daran beteiligt. „Das war ein Schlachtfeld, das habe ich auch lange nicht gesehen“, sagt Nestler. Obwohl viele Autos sehr zugerichtet waren, gab es aber keine Schwerverletzten.

13. November: Brand des Seminarzentrums in Schönnewitz. Mit vielen Trockenbauwänden wurde der alte Vierseitenhof renoviert – schlecht für die Kameraden. „Wir mussten viel sägen und Wände und Fußböden aufmachen, zum Teil mit Spitzhacken“, erzählt Nestler. Denn das Feuer saß dahinter.

18. Dezember: Brand einer Lagerhalle in Neusörnewitz. Hier griff das Feuer von einem Container auf einen Lkw über und dann von diesem auf den Dachstuhl der Halle. „Das war eine Materialschlacht“, sagt Nestler. Das Löschwasser reichte nicht, zwei Schlauchwagen mit je zwei Kilometer Schlauchlänge mussten Wasser von unterschiedlichen Hydranten herbeiholen. In der Hälfte des circa 100Meter langen Gebäudes konnte das Feuer dann gestoppt werden.

Weniger Waldbrände

Erfreulich ist dagegen die geringe Zahl von nur sieben Waldbränden. Nestler: „Wenn ich dagegen die vorangegangenen Jahre betrachte, da konnte man im Sommer am Wochenende die Uhr stellen: Gegen 14 Uhr gab es Alarmierungen.“ Stichwort Bäume: Auch verirrte Katzen werden noch von der Feuerwehr gerettet, sie machen den Großteil der 44 Tierrettungen im vergangenen Jahr aus. Allerdings beschließen diese angesichts der Feuerwehrleute auf Augenhöhe dann meist, sich doch selbst zu retten.

Häufiger Einsätze zur Tragehilfe

Dankbarer sind dagegen die Kollegen vom Rettungsdienst. Sie brauchen immer häufiger Unterstützung beim Tragen von Patienten. „Das liegt einerseits an den baulichen Gegebenheiten, und dann werden unsere Patienten auch immer schwerer“, erklärt Nestler. Auch die Zahl der Türöffnungen durch die Feuerwehr, weil dahinter eine hilflose Person vermutet wird, nimmt zu. „Dann ruft uns zum Beispiel ein Firmenchef an und sagt, unsere Kollegin ist seit drei Stunden nicht erschienen, wir stehen jetzt vor ihrer Tür und sie macht nicht auf, obwohl das Licht brennt.“

Mehr Nachwuchs für die Kameraden

859 Jugendliche haben sich 2016 in einer der 63 Jugendfeuerwehren engagiert, davon waren 209 Mädchen. Die Jugendfeuerwehren sind die wichtigste Quelle für neue Kameraden, 39 Mitglieder haben im vergangenen Jahr in die aktive Abteilung gewechselt. Ihre Zahlen steigen von Jahr zu Jahr. „Aber die Abgänge sind trotzdem noch höher“, sagt Nestler. Was den Kreisbrandmeister besonders freut: Die Abteilung der Kinder- oder Bambini-Feuerwehr wurde 2016 mit in das Gesetz aufgenommen. So steht dann auch der Nachwuchs für den Nachwuchs bereit.

Neue Fahrzeuge und Gerätehäuser

Priorität bei der Förderung hatten im vergangenen Jahr Fahrzeuge und Gerätehäuser. So wurden insgesamt fünf Einsatzfahrzeuge neu angeschafft und drei Gerätehäuser fertiggestellt, davon zwei zu 100 Prozent aus Mitteln des Freistaats. Trotzdem mahnt der Kreisbrandmeister, dass es noch immer 22 Fahrzeuge aus DDR-Zeiten gibt, die bald ersetzt werden müssen. Sein Appell an die Politik bleibt auch 2017: „Wir müssen etwas mehr tun, um den Sicherheitsstandard, den wir jetzt haben, auch für die nächsten Jahre zu garantieren.“

Bericht: Von Dominique Bielmeier (Freigabe durch Sächsische Zeitung) sowie Kreisbrandmeister Ingo Nestler
Bild: © Roland Halkasch (Freigabe durch Roland Halkasch)

 

Das war ein Schlachtfeld
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